Der Alte Dom - Einleitung
Unter dem Boden des Kölner Domes ruhten jahrhundertelang unangetastet die Überreste des Alten Domes, einer gegen 800 errichteten karolingischen Basilika mit gewaltigen Ausmaßen.
Die Außenansicht der ehemaligen Basilika ist von dem gegen 1025 entstandenen Stifterbild des Hillinus-Codex bekannt, das den Alten Dom von Süden aus zeigt. Beginnend mit den archäologischen Ausgrabungen im Jahre 1946 konnten die Reste des Baues von den Archäologen der Kölner Domgrabung geborgen, dokumentiert und wissenschaftlich erforscht werden. In der Folgezeit entstanden eine Reihe verschiedener Rekonstruktionen des Alten Domes, die im Wesentlichen auf der Interpretation der Grundmauern, der Fußböden, wenigen aufgehenden Bauresten, dem Hillinus-Bild und auf Vergleichen mit Parallelbauten beruhten.
Erst mit der jüngeren Untersuchung der zweifelsfrei dem Alten Dom zuzuordnenden Architekturfunde ergaben sich neue Feststellungen, nach denen die Kölner Bischofskirche ein deutlich prachtvolleres Bauwerk gewesen ist als bislang vermutet wurde. Ein Teil der gefundenen Steine und Bruchstücke weist Parallelen zu der Bauornamentik bisher unberücksichtigter frühmittelalterlicher und karolingischer Bauwerke auf, die nun eine weitergehende und detailliertere Rekonstruktion der Innenraumgestaltung des Alten Domes zulassen. Diese Feststellungen gaben den Impuls, eine virtuelle Rekonstruktion des Alten Domes in Angriff zu nehmen. Die neuen Erkenntnisse und hier abgebildeten Rekonstruktionen beruhen auf der Forschungsarbeit der Kunst- und Bauhistorikerin Dorothea Hochkirchen (Köln, Dombauhütte), die zeichnerische Umsetzung der virtuellen Rekonstruktionen und das Rendering erfolgten in Zusammenarbeit mit dem Architekturstudenten Konstantin Kruse (Köln, Dombauhütte).
Für die ersten Teilabschnitte liegen nunmehr Ergebnisse vor, die hier erstmalig veröffentlicht werden.
Ziel dieses ersten Projektabschnittes zur Rekonstruktion von Teilen des Innenraumes des Alten Domes ist es, die einst so berühmte Kölner Bischofskirche zu neuem Leben zu erwecken, begreifbar zu machen und einen Eindruck davon zu vermitteln, wie ihr Inneres um ca. 1000 ausgesehen haben könnte. Aufgrund der insgesamt jedoch unvollständigen Befundlage, kann es bei ihrer Rekonstruktion keine hundertprozentige Sicherheit geben. Dennoch wird durch die Rekonstruktion Stück für Stück eine größtmögliche Annäherung an das verloren gegangene einstige Erscheinungsbild angestrebt. Um den Eindruck zu vervollständigen, werden gänzlich fehlende Bau- oder Ausstattungsdetails – wie z.B. der Bischofsthron oder die Kämpferblöcke über den Pfeilerkapitellen – nach zeitnahen Vorbildern erhaltener Bauwerke ergänzt.
Im Zusammenhang mit den Rekonstruktionsarbeiten wurden so unerwartet viele Erkenntnisse zur Baugestalt und zur Baugeschichte des Alten Domes gewonnen, dass nun die Notwendigkeit besteht, die wissenschaftlichen Grundlagen der Rekonstruktionsergebnisse separat zu den einzelnen Forschungsabschnitten zeitnah und sukzessiv zu publizieren.
Ganz besonderer Dank gilt der Kulturstiftung Kölner Dom, die das Projekt der virtuellen Rekonstruktion vom Inneren des Alten Domes großzügig und wohlwollend unterstützt hat. Die Förderung des Projektes umfasste finanzielle Mittel für eine dreijährige halbe Wissenschaftlerstelle sowie für eine halbe studentische Hilfskraftstelle und entsprechende Arbeitsmittel. Auf diese Weise wurde der Weg geebnet, den Alten Dom als virtuelles Bauwerk mit Hilfe zahlreicher authentischer Details erstmalig für die Öffentlichkeit erlebbar zu machen.
Die Basis für die virtuellen Rekonstruktionen bilden zum einen die älteren archäologischen und kunsthistorischen Forschungsergebnisse zum Alten Dom. Die weiteren Grundlagen beruhen zum anderen auf der jüngeren Erforschung seiner steinernen Architekturfragmente in Verbindung mit einer langjährigen Untersuchung der Steinmetztechnik, Ornamentik sowie der Baugestalt durch die Kunst- und Bauhistorikerin Dr. Dorothea Hochkirchen (Köln, Dombauhütte). Die Umsetzung der virtuellen Rekonstruktionen und das Rendering erfolgten in Zusammenarbeit mit dem Architekturstudenten Konstantin Kruse.
Die dabei in jahrelangen Untersuchungen gewonnenen weitreichenden Erkenntnisse führten, mit den jüngsten Forschungsergebnissen zur vorgotischen Bischofskirche, zu neuen Erkenntnissen einer möglichen Innenraumrekonstruktion des Alten Domes.
Der heutige Wissensstand zum Aussehen des Alten Domes wurde nun auf Basis der wissenschaftlichen Daten in einem virtuellen Modell visualisiert.
Ziel des Projektes war es, der interessierten Öffentlichkeit einen bestenfalls originalgetreuen Eindruck davon zu vermitteln, wie der Innenraum in der Frühzeit bis etwa um das Jahr 1000 ausgesehen haben könnte. Das Modell ist dynamisch und zukunftsgerichtet ausgelegt. Sollten sich in Zukunft neue wissenschaftliche Erkenntnisse zur Baugestalt des Alten Domes ergeben, kann das hier online dargestellte 3D-Modell angepasst oder ergänzt werden.
Die Projektförderung erlaubte neben der Rekonstruktion großer Teile des Innenraumes der dreischiffigen Pfeilerbasilika auch eine umfassende Rekonstruktion des Schmuckfußbodens. Dieser wurde in seiner ganzen frühmittelalterlichen Pracht anhand der teilweise noch vorhandenen Plättchenabdrücke im Mörtelboden sowie der zahlreichen Grabungszeichnungen und Fotos des Bodens für die Zeit des dreischiffigen Domes rekonstruiert. Bisher unbekannte Musterungen wurden neu entdeckt und plausibel ergänzt. Dabei konnten ältere Ornamentfelder von später erneuerten Musterteppichen unterschieden und erstmalig ein Phasenplan des Fußbodens erstellt werden.
Hiltrud Kier, Der Fußboden des Alten Domes, in: Otto Doppelfeld/Willy Weyres, Die Ausgrabungen im Dom zu Köln, Mainz 1980 (Wiederabdruck), S. 600–613 (Erstdruck Kölner Domblatt 33/34, Köln 1971, S. 109–124).
Otto Doppelfeld/Willy Weyres, Die Ausgrabungen im Dom zu Köln, Mainz 1980 (Kölner Forschungen 1).
Willy Weyres, Die vorgotischen Bischofskirchen in Köln, Köln 1987 (Studien zum Kölner Dom 1), S. 119-225.
Klaus Gereon Beuckers, Die Erweiterung des Alten Kölner Domes. Überlegungen zu Gestalt und Datierung der äußeren Seitenschiffe und der Südvorhalle, in: Kunstgeschichtliche Studien. Hugo Borger zum 70. Geburtstag, hg. von Klaus Gereon Beuckers, Weimar 1995, S. 9–67.
Günther Binding, Die „Glockentürme“ des alten Kölner Doms, in: Wallraf-Richartz-Jahrbuch. Westdeutsches Jahrbuch für Kunstgeschichte 63, Köln 2002, S. 19–42.
Klaus Gereon Beuckers, Der Alte Dom, in: Der Kölner Dom. Darmstadt 2004 (Baukunst des Mittelalters), S. 14-27.
Lex Bosman, Vorbild und Zitat in der mittelalterlichen Architektur am Beispiel des Alten Domes in Köln, in: Kunst & Region. Architektur und Kunst im Mittelalter. Beiträge einer Forschungsgruppe, hg. von Uta Maria Bräuer u. a., Utrecht 2005 (Clavis Kunsthistorische Monografieën 20), S. 45–69.
Dorothea Hochkirchen, Antike Säulen im Alten Dom. Ein Rekonstruktionsvorschlag zu den Seitenschiffarkaden der vorgotischen Kölner Bischofskirche, in: Kölner Domblatt 76, Köln 2011, S. 76–107.
Sita Steckel, Kulturen des Lehrens im Früh- und Hochmittelalter. Autorität, Wissenskonzepte und Netzwerke von Gelehrten, Köln/Weimar/Wien 2011.
Ulrich Back/Thomas Höltken/Dorothea Hochkirchen, Der Alte Dom zu Köln. Befunde und Funde zur vorgotischen Kathedrale. Mit Beiträgen von Karl Hans Wedepohl, Andreas Kronz, Ruth Stinnesbeck, Clemens M. M. Bayer, Vera Holtmeyer-Wild und einer Schlussbetrachtung von Georg Hauser, Köln 2012 (Studien zum Kölner Dom 12). (Mit weiterführender Literatur).
Ruth Stinnesbeck, Rekonstruktionszeichnung zum Fußboden des Alten Domes, in: Caspar – Melchior – Balthasar. 850 Jahre Verehrung der Heiligen Drei Könige im Kölner Dom, hg. von Leonie Becks, Matthias Deml und Klaus Hardering, Köln 2014, S. 22 Abb.1, S. 54 Abb. 1.
Ulrich Back/Dorothea Hochkirchen, Köln, Alter Dom, in: Karolingerzeitliche Mauertechnik in Deutschland und in der Schweiz, hg. von Katarina Papajanni und Judith Ley, Regensburg 2016, S. 71–81.
Ulrich Back, Der Alte Dom, in: Archäologie im Kölner Dom. Forschungsergebnisse zu seiner Vor- und Baugeschichte. Köln 2023, S. 67-126. (Mit weiterführender Literatur).
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