Der Dom und ›die Juden‹-Kinderfenster
Bereits nach dem Dombaufest 1948 entstand die Idee, ein von Kindern gestiftetes Fenster im Dom einzubauen. Ein entsprechendes, im Zweiten Weltkrieg zerstörtes Kunstwerk hatte es schon im 19. Jahrhundert gegeben.
Die neuen Glasmalereien nach Entwürfen von Bernhard Kloss entstanden zwischen 1960 und 1965. Die vier Bilder einer Reihe des Fensters zeigen jeweils eine Szene des Alten Testamentes, zwei des Neuen Testamentes sowie eine der nachbiblischen Zeit oder Gegenwart. Sie haben zumeist einen Bezug zu Kindern und sind, ähnlich wie bei den typologischen Bibelfenstern, thematisch miteinander verknüpft.
Zwei Bildfelder zeigen das Leid der Kölner Bevölkerung und insbesondere der Kinder während der Bombardierungen im Zweiten Weltkrieg; die Opfer des NS-Regimes werden hingegen ausgeblendet. Wie jüngst herausgearbeitet wurde, ist das Fenster somit ein zeittypisches Zeugnis dafür, dass die frühe Nachkriegsgesellschaft nicht willens war, an die Verbrechen während der NS-Zeit zu erinnern.
Darüber hinaus bedient das Fenster deutlich antijüdische und antisemitische Ressentiments. Jüdische Widersacher Jesu werden mit verzerrten Gesichtszügen charakterisiert, wie sie sich bereits in Darstellungen von Juden seit dem Mittelalter, aber auch wenige Jahre vor der Entstehung des Fensters in antisemitischen Hetzschriften der NS-Propaganda finden.
Zwei Szenen thematisieren den Judasverrat: die Auszahlung der Silberlinge und der Judaskuss (Mt 26, 14–16.47–50). In der ersten wird die Habgier als niederes Motiv des Judas betont. Noch wesentlich problematischer ist aber der Kontext, in dem die Judasdarstellungen stehen. Sie bilden eine Reihe mit dem Verkauf Josefs durch seine Brüder (Gen 37,1–36) und einer Mutter, die mit ihren Kindern vor der Bombardierung Kölns flieht. In Verknüpfung mit den drei Szenen, die einen Verrat zum Thema haben, greift die letztgenannte Darstellung die Lüge der NS-Propaganda auf, die Luftangriffe auf Deutschland seien das Werk jüdischer Hintermänner. Dass solche Darstellungen noch in den 1960er-Jahren möglich waren und von den damaligen Verantwortlichen entweder nicht erkannt oder nicht beanstandet wurden, ist erschreckend und beschämend zugleich.
Matthias Deml
Die Darstellung betont Habgier als niederes Motiv für den Verrat. Die verzerrten Gesichtszüge des Judas und der Priester bedienen antisemitische Klischees.