Der Dom und ›die Juden‹-Kreuzwegstationen

Kreuzwege mit zunächst meist sieben, später vierzehn Stationen, welche die Passion Christi von der Verurteilung vor Pilatus bis zur Grablegung darstellen, entstanden als Nachbildungen der Via Dolorosa in Jerusalem ab dem 15. Jahrhundert. Zunächst unter freiem Himmel aufgestellt, sind die der Andacht dienenden Kreuzwege seit dem 18. Jahrhundert fester Bestandteil katholischen Kircheninventars.

Der Kreuzweg des Domes wurde 1893–1898 durch den aus Köln stammenden niederländischen Bildhauer Friedrich Wilhelm Mengelberg geschaffen. Zwölf Stationen sind in die mittelalterlichen Wandschränke des Langhauses eingesetzt. Die Kreuzabnahme und Grablegung befinden sich als vollplastische Skulpturengruppen in den Turmhallen. Für die Grablegung konnte eine spätmittelalterliche Figurengruppe wiederverwendet werden.

Waren Bilder der Passion Christi im Mittelalter aufgrund des von christlicher Seite erhobenen Gottesmordvorwurfs gegenüber den Juden anfällig für antijüdische Darstellungen, zeigen auch zwei Reliefs des Kreuzwegs im Dom eine Tendenz, die antijüdisch verstanden werden kann. So steht in der ersten Szene, der Verurteilung Jesu, der Hohepriester unmittelbar links neben Pilatus, der gerade seine Hände in Unschuld waschen lässt. Er erscheint hier offenbar als Antipode zur Gattin des Pilatus auf der rechten Seite des Statthalters, die sich für die Freilassung Jesu einsetzt. In der zweiten Kreuzwegstation, in der Jesus das Kreuz auf seine Schultern nimmt, erscheint erneut der Hohepriester mit erhobenem Arm, was als Zeichen zum Aufbruch zu deuten ist. Allem Anschein nach soll ihm die Hauptschuld an der Verurteilung zugewiesen werden. Als Vorlagen für seine Reliefs dienten Mengelberg vor allem mittelalterliche Darstellungen der Passion. Diese nutzten als Textquelle neben den Evangelien auch apokryphe Texte, wie das sogenannte Nikodemusevangelium aus dem 4. Jahrhundert. Überzeichnete Gesichtszüge, wie man sie in mittelalterlichen Darstellungen, etwa auch bei den Schergen am Dreikönigenschrein, sehr häufig findet, vermeidet Mengelberg hingegen.
Matthias Demel

1. Station: Christus vor Pilatus
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Hinter dem Richterstuhl des Pilatus stehen seine Gattin Caludia Procula und der Hohe Priester. Während jene sich für Jesus einsetzt, scheint sich jener für dessen Verurteilung auszusprechen.

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